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Deutsches Gericht verbietet Reise nach Somalia und Nachbarländer wegen Entführungsgefahr – Reisewarnungen und Sicherheitswarnungen des Auswärtigen Amtes als Entscheidungsgrundlage der Passbeschränkung

März 27th, 2010 von Holger Dewitz ·

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat entschieden, dass der grundsätzlich weltweite Geltungsbereich eines deutschen Reisepasses beschränkt werden kann, wenn eine hohe Gefahr der Entführung am Reiseziel gegeben ist.

Anlass war der Entzug des Reisepasses einer 45-jährigen Frau aus dem baden-württembergischen Rems-Murr-Kreis, die erneut „uneskortiert und auf eigene Faust“ nach Somalia reisen wollte. Die Frau war bereits zuvor über den Flughafen Frankfurt nach Kenia geflogen und von dort weiter nach Somalia. Die deutsche Staatsbürgerin legte vor dem Gericht Beschwerde ein, erhielt aber nur sehr eingeschränkt Recht: Das Gericht urteilte, das der Entzug des Passes überzogen war. Die Passbehörde könne aber den Geltungsbereich des Passes und damit die Reisefreiheit der Frau einschränken.

Konkret schlägt das Gericht dem Passamt vor, der Antragstellerin zwar den Pass zu belassen aber ihr nicht nur die Einreise nach Somalia zu verbieten, sondern ihr auch gleich noch zu untersagen in die Anrainerstaaten  Kenia, Dschibuti, Eritrea, Äthiopien und Jemen zu reisen.

Direktflüge aus Deutschland in das ostafrikanische Land existieren nicht. Die Einreise auf dem Landweg oder über See ist generell schwierig. Von Dschibuti und Mogadischu bestehen Flugverbindungen. Der Jemen ist zwar kein direktes Nachbarland, von dort steuern aber weiterhin Fähren einige somalische Häfen an.

Nach Ansicht des Gerichts hätte die Passbehörde bereits durch das Verbot, diese Länder zu bereisen, einen ausreichenden „Cordon Sanitaire“, also Sicherheitsgürtel, um die unsichere Destination gelegt.

Als Begründung führt die 11.Kammer des VG Stuttgart  aus, das bei einer Reise insbesondere in den von den Shahab-Milizen kontrollierten Landesteil Somalias das Entführungsrisiko für westliche Staatsangehörige bei „nahezu 100% liegt“.  Dabei stützen sich die Richter auf die Reisewarnungen und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes, Presseberichte und Agenturmeldungen.

Bei den Shahab-Milizen, handelt es sich um die bewaffnete Jugendorganisation der Union Islamischer Gerichte, einer radikalislamischen Vereinigung, die besonders im Süden Somalias und  in Mogadischu stark vertreten ist. Die Shahab-Milizen werden unter anderem von den USA als Al Qaida-nahe Terrororganisation bezeichnet.

Das Gericht geht davon aus, das nach einer Verschleppung, die potenziellen Entführer für die Freilassung der Frau nicht nur Lösegeld von ihrer Familie und ihren Freunden erpressen würden. Vielmehr hält es das Gericht unter Verweis auf frühere Entführungen in Somalia für wahrscheinlich, das mögliche Kidnapper den Freikauf der Geisel von der Bundesrepublik Deutschland fordern würden.

Damit sahen die Stuttgarter Richter die Möglichkeit einer zukünftigen Erpressung der Bundesrepublik Deutschland voraus, also der Nötigung von Verfassungsorganen (§105 Abs.1 Strafgesetzbuch).   Um eine Erpressung der Bundesrepublik zu verhindern, sei es gerechtfertigt, der Frau das Reisen in gleich sechs Länder zu verbieten.

Gegen den am 23. März 2010 veröffentlichten Beschluss (Aktenzeichen 11 K 67/10) kann die Württembergerin noch Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einlegen.

Ausreiseverbote und Reisebeschränkungen für Fußball-Hooligans, Globalisierungsgegner und potenzielle Terroristen sind in Deutschland nicht neu, mehrere Tausend Bundesbürger stehen in entsprechenden Dateien der Polizeibehörden.

Dabei geht es aber darum zu verhindern, dass Bundesbürger im Ausland Gewalttaten begehen oder dem Ansehen Deutschlands in der Welt Schaden zufügen. Neu ist ein mögliches Verbot für Bundesbürger, sich als Tourist auf Reisen selbst in erhöhte Gefahr zu begeben.

DestinationWatch.de betrachtet die Entscheidung der Richter zu Reisesicherheit, Risikoabschätzung und Selbstgefährdung daher in mehreren Artikeln aus verschiedenen Blickwinkeln. Den Anfang der Miniserie macht ein Interview mit dem Berliner Verfassungsjuristen Şükrü Uslucan.

1. Teil: „Wie steht ein Staat da, der seine Bürger nicht schützen kann?“

DestinationWatch.de-Interview mit Rechtsanwalt Şükrü Uslucan über das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts zu Reiseverboten nach Somalia aus Sicherheitsgründen und Reisefreiheit als Bürgerrecht

Kategorie:Afrika · Europa · Sicher reisen
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